Soziales

Immer mehr Bedürftige, aber viel zu wenig Lebensmittel


Immer mehr Bedürftige, aber stark rückläufige Lebensmittelspenden – das ist der Konflikt, mit dem die Aktiven der Tafel Dieburg seit Monaten zu kämpfen haben. Wobei sich die Schere immer weiter öffnet, denn während immer mehr Menschen in Dieburg und Umgebung auf gespendete Lebensmittel angewiesen sind, kalkulieren die Supermärkte knapper. Vieles landet zudem kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums in Reste-Körben und Retter-Tüten oder wird über Apps für ein paar Euro verkauft. Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit und des bewussten Umgangs mit Lebensmitteln eine gute Sache, doch die eigentlich sinnvolle Devise „Lebensmittel retten statt wegwerfen“ macht der Tafel zunehmend zu schaffen, denn es fällt weniger für die Verteilstelle in Dieburg ab. 

„Wir spüren das tagtäglich bei unserer Lebensmittel-Ausgabe“, erklärt Monika Faig, eine der Vorsitzenden der Tafel Dieburg. In der Verteilstelle in der Industriestraße müssen die Ehrenamtlichen zwischendurch schonmal die Ausgabe stoppen. „Oder wir müssen einer sechsköpfigen Familie erklären, dass sie nur eine Packung Nudeln mitnehmen darf“, schildert die Vorsitzende. Immer öfter müssen Bedürftige weggeschickt werden, weil die Vorräte aufgebraucht sind, bevor alle Wartenden bedient sind. „Das ist sehr bitter“, sagt Faig und meint weiter: „Wir brauchen dringend Unterstützung, sonst schaffen wir das nicht mehr.“ Vor diesem Hintergrund ruft die Tafel Dieburg zu Geld- oder Lebensmittelspenden auf – ein Appell, den auch Bürgermeister Frank Haus unterstützt: „Die Tafeln sind für viele ein Rettungsanker in schwierigen Lebenslagen. Es ist jede Anstrengung wert, die Ehrenamtlichen der Dieburger Tafel bei ihrer wertvollen Tätigkeit zu unterstützen. Ich bitte alle, denen es besser geht und die etwas abgeben können, um ihre Unterstützung.“ 

Anlieferung der Waren
Wenn die Waren in der Industriestraße angeliefert werden, packen alle mit an (von links): Daniel Kugler sowie die beiden Vorsitzenden Monika Faig und Caren Tolksdorf. Foto: Stadt Dieburg

2023 musste bei der Tafel Dieburg von März bis September ein vorübergehender Aufnahmestopp für Neukunden verhängt werden. Was nicht allein an der stark gestiegenen Zahl von Geflüchteten lag, sondern in erster Linie an den drastisch zurückgegangenen Lebensmittelspenden. „Glücklicherweise hat sich die Lage beruhigt, so dass wir den Aufnahmestopp im September zurücknehmen konnten“, sagt Caren Tolksdorf, die als zweite Vorsitzende die Geschicke des Vereins mitführt. Doch bis heute lasten die laufenden Kosten schwer auf dem Verein, der sich  ausschließlich über Spenden finanziert: Energiekosten für die gemieteten Räume und die großen Kühlgeräte, Sprit- und Wartungskosten für zwei Kleinbusse, Kosten für die Müllentsorgung – alles ist in den vergangenen Jahren teurer geworden. 

Die Verteilstelle der Tafel Dieburg, die seit 2006 existiert und in der Industriestraße 15 angesiedelt ist, hat montags bis freitags von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Aktuell sind mehr als 464 Haushalte (sog. „Bedarfsgemeinschaften“) mit 775 Erwachsenen und 544 Minderjährigen bezugsberechtigt – insgesamt werden also mehr als 1300 Personen mit dem Nötigsten zum Leben versorgt. Dafür zahlen sie einen kleinen Obolus in Höhe von 2 Euro pro Einkaufskorb, der gefüllt wird, was mehr als Ausdruck der Wertschätzung für die Lebensmittel und weniger als reiner Kostenbeitrag gedacht ist. Die Kunden kommen aus Dieburg, Münster, Eppertshausen, Groß Zimmern, Groß-Umstadt, Fischbachtal und Otzberg – das Einzugsgebiet war schon größer, wurde aber angesichts der prekären Lage reduziert. Pro Tag decken sich 70 bis 100 Familien bei der Tafel Dieburg mit dem Nötigsten ein, wobei der Freitag mit rund 120 Kunden der stärkste Wochentag ist. 

Beim Ausladen des Lkw
Auch der stellvertretende Lagerleiter Karl-Heinz Siller hilft beim Auspacken der Ladung. Foto: Stadt Dieburg

Bevor die Verteilstelle geöffnet wird, müssen die Waren von Lebensmittelmärkten, Bäckereien, Gemüsehändlern, Drogerien und Tankstellen abgeholt werden – 33 Stellen im gesamten Landkreis Darmstadt-Dieburg sowie in Rödermark werden von derzeit 20 freiwilligen Fahrern angefahren. Denn die Arbeit bei der Tafel bedeutet nicht nur die Ausgabe an der Verteilstelle, auch die gesamte Logistik mitsamt von der Abholung bis zur Sortierung muss gemeinsam gestemmt werden. Hierfür stehen den drei Festangestellten und fünf Vorstandsmitgliedern des Vereins derzeit insgesamt 70 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zur Seite. 

Doch was tun, wenn immer weniger Lebensmittel zur Verfügung stehen? „Wir achten darauf, dass die Vorräte gerecht verteilt werden und rationieren sie entsprechend. Fleisch gibt es seltener, genauso wie frisches Obst und Gemüse“, sagt Monika Faig. Zudem wurde die Einkaufsfrequenz reduziert: Durfte bislang jede Familie drei Mal pro Woche einkaufen, ist das jetzt nur noch an zwei Tagen möglich, konnten bislang bis zu drei Körbe gefüllt werden, ist es jetzt nur noch einer. „Wir versuchen den Kunden klarzumachen, dass wir kein Vollversorger sind“, betont Caren Tolksdorf und fügt hinzu: „Sondern dafür da sind, den Ärmsten der Armen zu helfen und die größte Not zu lindern.“

WER KANN WIE HELFEN?
Um die laufenden Kosten zu decken, ist die Tafel Dieburg auf Geldspenden angewiesen. Alle Infos zu Spendenkonten gibt es auf der vereinseigenen Website www.tafel-dieburg.de, Fragen werden gerne telefonisch (06071/617490) oder per Mail an info@tafel-dieburg.de antwortet. 
Auch Lebensmittelspenden helfen, vor allem frisches Obst und Gemüse sowie haltbare Lebensmittel, allerdings nichts Selbstgekochtes. Wer helfen möchte, packt im Supermarkt am besten eine Extra-Tüte für die Dieburger Tafel und gibt diese während der Öffnungszeiten (Montag bis Freitag von 9 bis 13 Uhr) in der Industriestraße 15 ab. Auch Spendenbescheinigungen werden nach Vorlage des Kassenbons gerne ausgestellt.
Gesucht werden außerdem dringend ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer, die vormittags von 7.30 bis 11 Uhr die Waren in den Märkten abholen. Fahrzeuge sind vorhanden, ein Führerschein der Klasse 3 genügt.